Europaletten-Mangel zeigt Wahnsinn des deutschen Aufschwungs

Europaletten-Mangel zeigt Wahnsinn des deutschen Aufschwung

Konjunktur Europaletten-Mangel zeigt Wahnsinn des deutschen Aufschwungs

Von Carsten Dierig | | Lesedauer: 5 Minuten

 

 

 

 

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In Deutschland Europaletten knapp

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Wie gut es der deutschen Wirtschaft geht, erkennt man auch daran, dass Europaletten knapp werden – sogar der Markt für gebrauchte Paletten ist leergefegt.

Quelle Infografik Die Welt
Quelle Infografik Die Welt  Quelle: WELT
Sie sind das Schmiermittel für die deutsche Wirtschaft: Europaletten. Auf ihnen wird nahezu alles transportiert. Doch die Hersteller kommen mit der Produktion nicht hinterher – aus mehreren Gründen.

Er soll einfach eine Summe nennen. Der Preis ist egal. Und dann soll er liefern. Tausende an Paletten. Mit Liefergarantie bis inklusive März. Als Jan-Bernd Seier diese Worte am Telefon hörte, konnte er sie erst nicht glauben. Der Chef des gleichnamigen Holzpackmittelherstellers aus Raesfeld in Nordrhein-Westfalen ist bereits seit 1993 im Geschäft mit Holzpaletten. „Doch so etwas habe ich auch noch nicht erlebt“, sagt der 54-Jährige. Wichtig sei dem Einkäufer eines großen Chemieunternehmen nur gewesen, dass er bald genügend Paletten habe, nicht mehr der Preis. „Es ist der Wahnsinn. Der Markt spielt derzeit völlig verrückt“, erzählt Seier.

Eigentlich sind Paletten nur Beiwerk in der deutschen Wirtschaft. „Die bekommt man üblicherweise wie Strom aus der Steckdose“, sagt ein Branchenexperte. Entsprechend rau sei daher auch der Umgangston mit den mittelständischen Lieferanten.

Quelle: Infografik Die Welt
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Nicht selten gebe es anonyme Versteigerungen von Aufträgen im Internet, bei denen sich die Hersteller gegenseitig unterbieten müssen. Doch das ist Vergangenheit. Denn in den vergangenen Monaten ist die Nachfrage derart explodiert, dass die Transportmittel für Waren zu einem knappen und damit wertvollen Gut geworden sind.

Eine Art Engpass für die Hochkonjunktur

Seier und andere Produzenten sind damit der Beweis für die aktuelle Stärke der deutschen Wirtschaft. „Unsere Branche ist der Drehzahlmesser für die Produktionsaktivitäten hierzulande“, erklärt Jan Kurth, Geschäftsführer des Bundesverbands Holzpackmittel, Paletten und Exportverpackungen (HPE). „Sobald etwas gefertigt wird, egal ob für den Export oder den Inlandsmarkt, muss es mindestens einmal transportiert werden. Und dafür sind Paletten und Kisten unerlässlich.“

Damit aber werden die Packmittelbetriebe auch zu einer Art Engpass für die Hochkonjunktur in Deutschland, mindestens aber ist ihre angespannte Lage ein weiteres Indiz dafür, dass der schon seit acht Jahren beinahe ununterbrochene Aufschwung allmählich an Grenzen stößt. Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut jedenfalls warnt bereits davor, dass sich die deutsche Wirtschaft schnurstracks in die Überhitzung bewegt.

2018 stehen die Zeichen indes noch auf Wachstum. Die Konjunkturprofis von Banken und Instituten rechnen mit einem Plus von bis zu 2,6 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt. In der Palettenindustrie bleibt es damit auf absehbare Zeit bei Sonderschichten. „Wenn ich mir die bisherigen Bestellungen ansehe, ist eine Ruhepause erst mal nicht in Sicht“, bestätigt Jan-Bernd Seier. Aufträge von neuen Kunden nehme sein Vertrieb daher erst wieder an, wenn bestehende Kunden abwinken. Denn einfacher wird die Lage in den kommenden Monaten nicht.

Steigern lässt sich die Produktion kaum noch

Zwar haben die rund 440 heimischen Hersteller von Paletten und Exportverpackungen ihre Produktion bereits massiv erhöht. 2017 wurden laut einer aktuellen Schätzung des Bundesverbands HPE rund 110 Millionen Paletten gefertigt, das sind sieben Millionen Stück mehr als noch 2016 und so viele wie nie zuvor. „Trotzdem können längst nicht alle Anfragen bedient werden“, berichtet Verbandschef Kurth. Allein die Chemieindustrie habe kürzlich einen Zusatzbedarf von fast 400.000 Paletten angemeldet. Bekommen werden sie davon aber wohl nur einen Teil.

„Es kommt derzeit reihenweise vor, dass die Betriebe Aufträge absagen müssen, auch den ganz großen und namhaften Kunden“, weiß Kurth. Oder es gebe Wartezeiten von mehreren Wochen, selbst für Standardware wie der klassischen Europalette oder den überwiegend quadratischen Chemiepaletten. Sie machen zusammen rund die Hälfte der Jahresproduktion aus, die andere Hälfte sind Sonderanfertigungen.

Denn steigern lässt sich die Produktion derzeit kaum noch. Mit einer Auslastung über 90 Prozent sind die Kapazitäten der Hersteller annähernd voll ausgeschöpft. Und neue Produktionsmaschinen kommen meist erst zwei Jahre nach der Bestellung in der Fabrik an. Also werden nun die letzten Prozente aus den bestehenden Anlagen herausgeholt, zumal auch der Paletten-Gebrauchtmarkt praktisch leergefegt ist. „Wir haben zwischen Weihnachten und Neujahr Sonderschichten gefahren“, berichtet Unternehmer Seier, dessen Firma mit rund 3,6 Millionen produzierten Paletten schon zu den größeren Betrieben der insgesamt überschaubaren Branche gehört.

Neue Konkurrenz beim Holzeinkauf

Üblicherweise nutzen die Unternehmen die ruhige Zeit zur Wartung ihres Maschinenparks. Doch diesmal muss die Instandhaltung warten. „Die Versorgung der Stammkunden hat derzeit oberste Priorität“, sagt Seier, der sein Personal zudem schon seit Wochen eine Stunde länger pro Schicht arbeiten lässt.

Doch selbst dann kommt der Betrieb an seine Grenzen, denn die Rohstoffe werden in der Branche knapp. Gefertigt werden Paletten und Transportkisten vorwiegend aus sogenannter Seitenware von Nadelhölzern, also letztlich aus Produktionsresten. Der Kern eines Baumstamms dient dabei zunächst zur Produktion von beispielsweise Bohlen oder Dachträgern für die Bauindustri

Deutschland erzielt höchsten Überschuss seit Wiedervereinigung

 

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Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherung nahmen zusammen 38,4 Milliarden Euro mehr ein, als sie ausgaben, wie das Statistische Bundesamt in Berlin mitteilte. Das ist der höchste Wert seit der Wiedervereinigung.

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An die Packmittelhersteller gehen dann die übrig gebliebenen Außenseiten, die immerhin noch rund ein Drittel des Stammvolumens ausmachen. Ein Großteil des Rohstoffs stammt dabei aus Deutschland, darüber hinaus sind auch Skandinavien und vor allem das Baltikum wichtige Lieferländer. Von dort allerdings kommt derzeit immer weniger Ware. Zum einen wegen des Wetters. Das nämlich ist im Nordosten von Europa deutlich zu warm, dadurch ist der Waldboden matschig statt gefroren und die schweren Erntemaschinen haben keinen Halt.

Zum anderen gibt es neue Konkurrenz beim Holzeinkauf. „Die chinesische Regierung hat bestimmt, dass die eigenen Wälder geschont werden müssen, weil daran zu lange Raubbau betrieben wurde. Also bedienen sich die Chinesen jetzt in Europa“, erklärt HPE-Geschäftsführer Kurth. Gleichzeitig sei auch die Nachfrage aus Ländern wie Italien oder Frankreich wieder deutlich gestiegen. Und selbst die USA würden plötzlich größere Mengen Holz in Europa bestellen.

Nicht mit den Kunden verscherzen

Das alles hat Konsequenzen auf den Preis: Im vierten Quartal 2017 legte er laut HPE-Preisindex um durchschnittlich fast zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr zu und immerhin knapp vier Prozent gegenüber dem Vorquartal. „Das müssen und können wir aber an unsere Kunden weitergeben“, sagt Jan-Bernd Seier, zumal die Palettenproduktion ein überwiegend nationales Thema ist.

Ausnutzen will er die Situation allerdings nicht. „Wir werden vorsichtig und verantwortungsvoll mit der aktuellen Lage umgehen. Schließlich kann es in den nächsten Jahren auch wieder anders aussehen.“ Deshalb wolle er es sich nicht mit seinen Kunden verscherzen, erwartet dafür aber auch einen besseren Umgang vonseiten der Großkunden in den kommenden Jahren.

Auf den Deal mit der Chemiefirma hat er sich daher nur zum Teil eingelassen. „Wir sind im Geschäft, aber nicht mit einer Garantie über den kompletten Zeitraum.“

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